Es gibt viele Gründe, sich auch im höheren Alter noch für ein Studium zu entscheiden – aber eben auch viele Gründe, die dagegen sprechen. Im Folgenden möchten wir das Für und Wider eines späten Studiums einmal näher beleuchten!
Vorwort
Mit einer soliden Ausbildung schafft man sich beste Voraussetzungen für ein sorgenfreies Leben. Daher entscheiden sich eben auch viele dafür, nach dem Schulabschluss einen Beruf zu erlernen, also eine Ausbildung zu beginnen. Aber nicht immer stellt sich die Berufswahl hinterher tatsächlich als Nonplusultra heraus. Sei es, weil die erhofften Aufstiegsmöglichkeiten fehlen, der Lohn als zu niedrig empfunden wird oder einen die Arbeit einfach nicht befriedigt. Also was nun?
Wer im Job unzufrieden ist, wird sich an diesem Punkt seines Lebens womöglich darüber ärgern, nicht doch studiert zu haben. Nur die wenigsten wagen bislang jedoch den Schritt, dieses Studium nachzuholen. Aber warum eigentlich? Zwar sind Studierende laut Statista durchschnittlich 21 Jahre alt, wenn sie mit dem Bachelor-Studium beginnen, an Universitäten und Hochschulen gibt es aber natürlich keine Regelung, die besagt, dass man jenseits der 30 nicht mehr studieren darf. Den Job kündigen und sich von einem ordentlichen Einkommen verabschieden, um wieder bei Null zu beginnen, dieser Schritt will jedoch gut durchdacht sein. Und viele verlässt letztlich eben doch der Mut.
Wir möchten euch im Folgenden einmal das Für und Wider eines späten Studiums aufzeigen.
Für und Wider eines späten Studiums
Das spricht gegen ein spätes Studium:
Finanzielles Risiko
Ein Studium ist teuer, bringt jedoch zunächst einmal kein Geld ein. Wer bislang über ein regelmäßiges Einkommen verfügte, muss sich daher von dieser monatlichen Sicherheit verabschieden. Zumal Studieren in Deutschland nun einmal eher für 20-Jährige ausgelegt ist. Zumindest was die finanziellen Hilfen anbelangt. Denn: Wer mit über 30 studiert, für den fallen viele Finanzierungsmöglichkeiten weg. So erlischt mit dem 30. Lebensjahr laut Bundesausbildungsförderungsgesetz beispielsweise in den meisten Fällen der Anspruch auf BAföG (Ausnahme: z.B. Erststudium nach Kindererziehung). Wer älter als 35 Jahre ist oder den Vermögensfreibetrag von derzeit 7.500 Euro (Stand 2019) weit überschreitet, kann sogar grundsätzlich keine finanzielle Förderung seines Studiums beim Bund beantragen. Und auch viele studentische Krankenversicherungen enden mit dem 30. Lebensjahr, dann greift der Studententarif der Kassen nicht mehr. Die Folge: Die Krankenversicherung wird deutlich teurer.
Demgegenüber stehen jedoch oftmals andere Verpflichtungen, wie z.B. die eigene Familie. Wer kein Erspartes hat, braucht daher einen guten Nebenjob oder einen Studienkredit. Und selbst in puncto Studienkredit schrumpfen die Möglichkeiten nach dem 30. Lebensjahr deutlich. Bei vielen Studienkrediten ist der 30. Geburtstag nämlich ebenfalls eine entscheidende Grenze. Erhält man tatsächlich einen Studienkredit, ist zumindest die Förderdauer meist deutlich geringer, hat man erst einmal das 35. Lebensjahr überschritten. Abgesehen davon: Ein Studienkredit ist nun einmal ein Kredit und muss vollständig und mit Zinsen zurückgezahlt werden. Die Zinsen können jedoch erst mit Beginn der Rückzahlungsphase fixiert werden. Während der Auszahlungsphase werden sie halbjährlich angepasst. Es gibt also keinen Schutz gegen deutliche Steigerungen. Auch hier verbirgt sich also ein finanzielles Risiko – vor allem, wenn man eine Familie zu versorgen hat.
Tipp: Welche Möglichkeiten zur Finanzierung eines Studiums grundsätzlich bestehen und welche Voraussetzungen man erfüllen muss, könnt ihr in unserem Artikel „Die besten Alternativen zum Studentenjob“ nachlesen.
Berufsbegleitendes Studium nicht immer möglich
Da die Möglichkeiten der Studienfinanzierung für Studierende über 30 begrenzt sind, bleibt oftmals nur die Option, berufsbegleitend z.B. in Form eines ortsunabhängigen Fernstudiums oder in Form eines Teilzeit-Studiums mit Präsenzanteilen (am Abend, an Wochenenden oder in wenigen Blöcken) zu studieren. Allerdings ist ein berufsbegleitendes Studium eben nicht immer möglich. Zumindest nicht an staatlichen Hochschulen, die mit den üblichen Semesterbeiträgen abgegolten sind bzw. nur geringfügige Aufschläge umfassen. Wer berufsbegleitend studieren möchte, muss daher in der Regel eine private Hochschule nutzen. Und private Hochschulen verlangen meist deutlich höhere Studiengebühren.
Abgesehen davon sind leider auch nicht alle Studiengänge berufsbegleitend möglich. Es gibt diverse Fachbereiche, in denen ein Fernstudium oder eine berufsbegleitende Präsenz-Variante schlichtweg nicht angeboten werden.
Bruch im Lebenslauf
Wer seinen Job kündigt, um mit über 30 noch einmal komplett neu anzufangen, wird diesen Bruch im Lebenslauf bei künftigen Bewerbungen erklären müssen. Und nicht alle Personaler können derartige Brüche und die persönlichen Beweggründe dahinter verstehen. Manche Personalentscheider assoziieren mit einem solchen kompletten Neuanfang sogar Sprunghaftigkeit und mangelnde Zielgerichtetheit. Vor allem ältere Personaler, die in klassischen Branchen für die Personalgewinnung zuständig sind, bevorzugen Bewerber mit einem linearen Lebenslauf und können einen solchen Bruch im Lebenslauf schlichtweg nicht nachvollziehen.
Das spricht für ein spätes Studium:
Bruch im Lebenslauf kann auch ein Vorteil sein
Brüche in der Berufsbiografie können, wie bereits erwähnt, negativ gewertet werden. Aber: Je nach Personaler bescheren sie einem Bewerber auch Vorteile. Denn: Brüche in der Biografie zeugen von einem starken Willen, Durchhaltevermögen, Flexibilität und zusätzlicher Lebenserfahrung. Wer den Schritt aus dem bekannten beruflichen Umfeld gewagt und gemeistert hat, beweist schließlich, dass er in der Lage ist sich weiterzuentwickeln und signalisiert zudem die Bereitschaft, sich zukünftig auch hausintern weiterzubilden.
Wer nebenbei noch den eigenen Haushalt wuppt, Nebenjobs ausübt und vielleicht sogar schon ein Kind hat, beweist außerdem Organisationstalent und zeigt, wie viel er schaffen kann.
Davon abgesehen: Der Lebenslauf, der von der Ausbildung bis zum Eintritt in die Rente bei einem Arbeitgeber verläuft, ist ohnehin längst nicht mehr die Regel. Karrieren verlaufen heutzutage nicht immer linear – ganz im Gegenteil. Ein Bruch im Lebenslauf ist daher eben meist doch kein wirkliches Drama!
Praxiserfahrung von Vorteil
Wer bereits einen Beruf ausgeübt hat, verfügt über jede Menge Praxiserfahrung. Ein klarer Vorteil für das Studium. Denn: Wer Praxiserfahrung hat, kann Studieninhalte oftmals besser nachvollziehen (zumindest wenn es sich um einen mit dem bisherigen beruflichen Werdegang thematisch verwandten Studiengang handelt).
Und auch nach dem Studium kommt einem die Praxiserfahrung zugute. Wer bereits einen festen Job hatte, weiß schließlich, was ihn im Berufsalltag erwartet. Und das dürfte sicher jeden Personaler freuen.
Ein beruflich breites Spektrum verschafft ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Arbeitsmarkt
Wer über ein beruflich breites Spektrum verfügt, also schon verschiedene Dinge ausprobiert hat, verschafft sich dadurch ein Alleinstellungsmerkmal. Denn: Ein guter Arbeitgeber wird die verschiedenen Stärken eher würdigen als einen Bewerber dafür zu verurteilen bzw. als sprunghaft abzustempeln. Schließlich bringen Bewerber, die über ein breites Spektrum verfügen, dem Unternehmen einen Mehrwert ein.
Tipp: Sollte ein Personaler doch einmal Zweifel aufkommen lassen und die berühmt-berüchtigte Frage stellen: „Konnten Sie sich nicht entscheiden?“, antworte einfach, dass du eben viele Fähigkeiten und Interessen hast. Genau darin besteht schließlich dein Mehrwert.
Selbstverwirklichung und persönliches Glück
Und last but not least bringt ein spätes Studium auch die Möglichkeit, sich selbstzuverwirklichen und beschert einem Zufriedenheit und persönliches Glück. Wer möchte schon den Rest seines Lebens in einem Beruf verbringen, der ihn nicht erfüllt? Genau: niemand!
Fazit
Ein spätes Studium birgt Vor- und Nachteile. Ob die Vorteile letztlich die Nachteile aufwiegen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Grundsätzlich ist es jedoch nie zu spät, einen Neuanfang zu wagen. Gut durchdacht sollte das Ganze aber natürlich sein. Denn eines ist klar: Den Job zu kündigen und sich von einem ordentlichen Einkommen zu verabschieden, um wieder bei Null zu beginnen, erfordert Mut, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Wem es an diesen Eigenschaften mangelt, der ist mit einem späten Studium sicherlich nicht gut beraten.
- Bundesministerium für Bildung und Forschung: BAföG § 10 Alter https://www.bafög.de/de/-10-alter-226.php (abgerufen am 17. Juni 2020)
- SPIEGEL Panorama: Erstsemester über 30: „Ich hab das Gefühl, ich bin verliebt“ https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/erstsemester-ueber-30-die-juengeren-sind-richtig-knuffig-a-929944.html (abgerufen am 17. Juni 2020)
- Bayerischer Rundfunk: Studieren mit Mitte dreißig: Spätes Studium statt nur Karriere machen! https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/campus/studium-spaet-statt-0815-karriere-100.html (abgerufen am 17. Juni 2020)
Unsere Autorin Patricia Schlösser-Christ studierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und arbeitete anschließend an der Volkshochschule Worms. Als Kulturanthropologin M.A. widmet sie sich seither dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung / Weiterbildung und hat dabei auch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt stets im Blick.