Geheimsprache im Arbeitszeugnis entschlüsseln: Was wirklich hinter den Formulierungen steckt

Wir sind bei unseren Artikeln stets um die vollste Zufriedenheit unserer Leser bemüht. Aber genügt es, stets bemüht zu sein? Nun, bei dieser Formulierung solltet ihr hellhörig werden. Zumindest, wenn sie in eurem Arbeitszeugnis auftaucht. Denn so positiv dies auch klingen mag, könnte euch diese Formulierung bei künftigen Bewerbungen bitter aufstoßen. Leider verbirgt sich hinter dem Code „stetiger Bemühtheit“ nämlich nichts allzu Gutes. Im Folgenden möchten wir euch einmal näher mit der Geheimsprache in Arbeitszeugnissen vertraut machen!

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Arbeitszeugnis bewertet die Leistungen eines Arbeitnehmers
  • Die Gewerbeordnung schreibt vor, dass ein Arbeitszeugnis 1. der Wahrheit entsprechen und 2. wohlwollend sein muss
  • Arbeitgeber sind dazu übergegangen, die Wahrheit mit Hilfe eines Geheimcodes in wohlwollende Formulierungen zu verpacken
  • Auch wenn in der Zeugnissprache diskreditierende Formulierungen und offene Kritik tabu sind, kann ein Arbeitszeugnis also negativ behaftet sein, denn durch die Geheimcodes der Arbeitgeber lässt sich auch Kritik übermitteln

Warum es einen Geheimcode gibt

In einem Arbeitszeugnis wird die Leistung eines Arbeitnehmers bewertet. Und Bewertungen sollten natürlich objektiv sein und der Wahrheit entsprechen. Weshalb also existiert überhaupt so etwas wie ein Geheimcode? Warum steht in einem Arbeitszeugnis nicht einfach klar und unmissverständlich formuliert, wie sich ein Arbeitnehmer bei seinen Aufgaben geschlagen hat?

Nun, dass ein solcher Geheimcode existiert, ist der Gewerbeordnung geschuldet. Diese schreibt nämlich vor, dass ein Arbeitszeugnis zwei wesentliche Bedingungen erfüllen muss:

  1. Das Zeugnis muss der Wahrheit entsprechen.
  2. Das Zeugnis muss wohlwollend sein.

Da diese beiden Bedingungen jedoch nicht immer ohne Weiteres miteinander in Einklang zu bringen sind, haben Arbeitgeber eine Geheimsprache entwickelt und sind dazu übergegangen, die Wahrheit sozusagen in wohlwollende Formulierungen zu verpacken.

Als Beispiel kann an dieser Stelle wieder die „stetige Bemühtheit“ herangezogen werden. Im Grunde gibt es an einem Arbeitnehmer, der stets bemüht ist, schließlich nichts auszusetzen. Allerdings impliziert „Bemühtheit“ eben nicht, dass alle dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben auch zur Zufriedenheit des Chefs erledigt wurden. Der Teufel lauert also wie so häufig im Detail. Und gewiefte Personaler kommunizieren insgeheim über eben diesen vielzitierten Teufel im Detail. Wird einem Bewerber also von seinem ehemaligen Chef „Bemühtheit“ attestiert, belegt das vielleicht ein gewisses Engagement, impliziert jedoch gleichzeitig, dass dieses Engagement sich nicht unbedingt auch in erfolgreichen Resultaten messen ließ. Im Grunde signalisiert der alte Arbeitgeber dem potenziellen neuen Arbeitgeber also, dass bei diesem Bewerber Vorsicht geboten ist. Und – zack – schon ist der Bewerber raus aus dem Bewerberpool.

Auch wenn in der Zeugnissprache diskreditierende Formulierungen und offene Kritik also tabu sind, kann ein Arbeitszeugnis eben auch negativ behaftet sein. Durch die Geheimcodes der Arbeitgeber lässt sich nämlich durchaus Kritik übermitteln – nur eben in wohlwollende Formulierungen verpackt. So können einige standardisierte Phrasen, die zwar augenscheinlich ganz nett klingen, zum Teil das genaue Gegenteil bedeuten.

Personalentscheider lesen die Arbeitszeugnisse ihrer Bewerber daher besonders gerne und aufmerksam durch. Schließlich stammen die Zeugnisse aus der Feder eines Dritten, der schon mal mit dem jeweiligen Kandidaten mehr oder weniger erfolgreich zusammengearbeitet hat. Einem Arbeitszeugnis wird daher nicht selten mehr Bedeutung beigemessen als dem Anschreiben. Das belegt auch die Studie „Job-Trends 2017“. Für 72 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Personaler sind Arbeitszeugnisse wichtig, sogar noch bedeutender als das Anschreiben.

Was wirklich hinter den Formulierungen steckt

Hinter manch schönen Worten verbirgt sich also nicht selten ein eher durchschnittliches, schlimmstenfalls sogar ganz mieses Urteil – nur eben in eine geheime Botschaft verpackt. Damit ihr eure Arbeitszeugnisse künftig richtig deuten könnt, haben wir im Folgenden einmal die gängigsten Formulierungen zusammengestellt und erklären euch, was sich wirklich dahinter verbirgt!

Diese verklausulierten Schulnoten verbergen sich hinter den typischen Zeugniscodes:

Um das Arbeitszeugnis und somit die eigene Leistung besser einschätzen zu können, sollte man zunächst einmal gezielt nach bestimmten Bezeichnungen suchen. Denn bestimmte Formulierungen lassen auf verklausulierte Schulnoten schließen, die der ehemalige Arbeitgeber den Fähigkeiten eines Mitarbeiters ausstellen würde.

Solche Formulierungen sind z.B. „stets“ oder „zur vollen“ bzw. „zur vollsten“. Und natürlich spiegelt auch die bereits mehrfach erwähnte „stetige Bemühtheit“ sich in einer Schulnote wider.

Folgende Noten verbergen sich hinter diesen Formulierungen:

Er/Sie erfüllte seine/ihre Aufgaben…

  • Note 1:stets zur vollsten Zufriedenheit.
  • Note 2:zur vollsten/stets zur vollen Zufriedenheit.
  • Note 3:zur vollen Zufriedenheit.
  • Note 4:zur Zufriedenheit.
  • Note 5:im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit.
  • Note 6: Er/Sie hat sich bemüht.

So weit so gut. Wer gezielt nach Formulierungen wie „stets“, „zur vollen“ etc. sucht, kann dem Arbeitszeugnis schon einmal grob eine Note zuordnen. Im Folgenden möchten wir euch nun gerne noch ein paar der gängigen und klassischen Formulierungsbeispiele aufzeigen und euch kurz erläutern, was sich jeweils wirklich dahinter verbirgt.

Klassische Formulierungsbeispiele und die Bedeutung dahinter:

FormulierungEigentliche Bedeutung
Er/Sie war stets nach Kräften bemüht, die Arbeiten zu unserer vollen Zufriedenheit zu erledigen.Guter Wille war vorhanden, mehr aber nicht.
Die Aufgaben, die wir ihm/ihr übertrugen, hat er/sie zu unserer Zufriedenheit erledigt.Er/Sie machte seinen/ihren Job – und zwar nur das, was wir ihm/ihr sagten. Ansonsten blieb er/sie passiv, war also allenfalls Durchschnitt.
Er/Sie hat sich im Rahmen seiner/ihrer Fähigkeiten eingesetzt.Er/Sie hat getan, was er/sie konnte. Das war allerdings nicht viel.
Er/Sie arbeitete mit größter Genauigkeit.Er/Sie war ein/e langsame/r und unflexible/r Pedant/in.
Er/Sie zeigte ein gutes Einfühlungsvermögen in die Belange der Belegschaft.Er/Sie flirtete mehr als er/sie arbeitete.
Er/Sie erledigte alle Aufgaben pflichtbewusst und ordnungsgemäß.Er/Sie war zwar pflichtbewusst, zeigte aber praktisch keine Initiative.
Er/Sie gab nie Anlass zu Klagen.Er/Sie bot aber auch nie Anlass für Lob.
Er/Sie war bei Kunden schnell beliebt.Er/Sie machte zu viele und zu schnelle Zugeständnisse.
Er/Sie machte sich mit großem Elan an die ihm/ihr übertragenen Aufgaben.Aber fragt nicht, wie chaotisch das war!
Er/Sie war tüchtig und in der Lage, seine/ihre Meinung zu vertreten.Er/Sie hat eine hohe Meinung von sich und kann Kritik nicht vertragen; ein/e unangenehme/r Mitarbeiter/in, der/dem es an Kooperationsbereitschaft mangelt.
Er/Sie zeigte eine erfrischende Art im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten.Er/Sie ist frech und hat keine Manieren.
Er/Sie verfügte über Fachwissen und ein gesundes Selbstvertrauen.Er/Sie glich mangelhaftes Fachwissen mit einer großen Klappe aus.
Er/Sie verfügt über Fachwissen und gesundes Selbstvertrauen.Er/Sie ist arroganter als eine Diva.
Er/Sie war immer für einen Verbesserungsvorschlag gut.Er/Sie war ein/e Besserwisser/in.
Er/Sie machte häufig Vorschläge zu Arbeitserleichterungen.Er/Sie war faul und zeigte wenig Einsatz.
Er/Sie machte häufig Vorschläge zu Arbeitserleichterungen, wodurch Produktionskosten eingespart werden konnten.Er/Sie hat dabei geholfen, betriebliche Abläufe effizienter zu gestalten.
Durch seine/ihre Pünktlichkeit war er/sie ein gutes Beispiel.Pünktlichkeit ist im Arbeitsleben selbstverständlich. Wird dieser Punkt extra erwähnt, hatte der/die Mitarbeiter/in sonst wohl keine Leistungen vorzuweisen. Durch das Herausstellen von Selbstverständlichkeiten gerät die übrige Leistung völlig in den Hintergrund und impliziert: Der/Die Mitarbeiter/in ist eine Niete.
Wir bestätigen, dass er/sie mit Fleiß, Engagement und Pünktlichkeit an seine/ihre Aufgaben herangetreten ist. Fachlich hatte er/sie leider nichts zu bieten.
Er/Sie verstand es, alle Aufgaben erfolgreich zu delegieren.Er/Sie war faul und wälzte die Arbeit gekonnt auf Kollegen ab.
Er/Sie arbeitete stets nach eigener Planung.Aber nicht nach der des Chefs...
Er/Sie hat unseren Erwartungen im Wesentlichen entsprochen.Seine/Ihre Leistungen waren schlichtweg mangelhaft.
Er/Sie hatte Gelegenheit, sich das notwendige Wissen anzueignen.Es fehlt der Hinweis, dass die Gelegenheit genutzt wurde; beinhaltet eine negative Bewertung.
Er/Sie ist ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter.Er/Sie ist eigensüchtig, besteht auf seinem/ihrem Recht und nörgelt gern.
Er/Sie zeigte stets Engagement für Arbeitnehmerinteressen außerhalb der Firma.Er/Sie hat an Streiks teilgenommen.
Er/Sie trat engagiert für die Interessen der Kollegen ein.Er/Sie war Mitglied des Betriebsrats.
Er/Sie zeigte ein einwandfreies Verhalten gegenüber den Kollegen.Zwar hat er/sie sich den Kollegen gegenüber richtig verhalten, von den Vorgesetzten ist hier aber keine Rede...
Er/Sie war ihren/seinen Mitarbeitern jederzeit ein/e verständnisvolle/r Vorgesetzte/r und praktizierte einen kooperativen Führungsstil.Er/Sie besaß keine Durchsetzungsstärke und wurde nicht respektiert.
Er/Sie scheidet aus, um in einem anderen Unternehmen eine höherwertige Tätigkeit zu übernehmen.Wir wollten ihm/ihr keine höhere Position bieten bzw. trauten ihm/ihr eine solche nicht zu.

Natürlich gibt es zahlreiche weitere Formulierungen, auf die wir an dieser Stelle leider nicht im Einzelnen eingehen können. Das würde schlichtweg den Rahmen sprengen. Stattdessen möchten wir euch noch auf die Bedeutung der Abschlussformulierung eines Arbeitszeugnisses aufmerksam machen. Denn auch die Abschlussformel impliziert eine Bewertung des Arbeitgebers.

Die Abschlussformulierung und ihre Bedeutung:

Der Abschlussformel kommt bei einem Arbeitszeugnis eine immer größere Bedeutung zu. Erfahrene Personaler sind in der Lage, aus den wenigen Sätzen der Abschlussformulierung mehr herauszulesen, als in dem gesamten restlichen Text erwähnt wurde.

Und nicht nur das. Da eine Abschlussformulierung einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zufolge freiwillig ist, lässt das Anbringen oder Weglassen einer solchen Abschlussformulierung ebenfalls reichlich Spielraum für eine Bewertung. Bedankt sich ein Arbeitnehmer am Ende des Schreibens nicht für die Mitarbeit und wünscht dem ehemaligen Mitarbeiter nicht explizit Erfolg für die Zukunft, könnten künftige Arbeitgeber dies negativ deuten. Augenscheinlich war dem ehemaligen Arbeitgeber die Mitarbeit des Arbeitnehmers nicht einmal eine standesgemäße Abschlussformel wert. Allein die Tatsache, ob eine Abschlussformel angefügt wird oder nicht, kann künftige Arbeitgeber daher aufhorchen lassen.

Aber nicht nur, ob eine Abschlussformulierung angefügt wurde, sondern auch in welcher Form, spielt bei der Bewertung des gesamten Arbeitszeugnisses eine Rolle. Denn auch hier gibt es große Unterschiede. Diese möchten wir euch anhand klassischer Formulierungsbeispiele natürlich ebenfalls einmal näher erläutern.

Diese verklausulierten Schulnoten verbergen sich hinter den typischen Abschlussformeln:

  • Note 1: Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau XY sehr und danken für die stets hervorragenden Leistungen. Sowohl beruflich als auch privat wünschen wir ihm/ihr weiterhin so viel Erfolg und alles Gute.
  • Note 2: Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau XY und danken für die jederzeit guten Leistungen. Sowohl beruflich als auch privat wünschen wir ihm/ihr weiterhin Erfolg und alles Gute.
  • Note 3: Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau XY und danken für die guten Leistungen. Sowohl beruflich als auch privat wünschen wir ihm/ihr Erfolg und alles Gute.
  • Note 4: Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau XY und danken für die erbrachten Leistungen. Beruflich und privat wünschen wir alles Gute.
  • Note 5: Das Ausscheiden von Herrn/Frau XY ist durchaus bedauerlich. Wir wünschen alles Gute und zukünftige Erfolge.

Und last but not least möchten wir euch noch aufzeigen, welche geheime abschließende Bewertung ein Arbeitgeber künftigen Arbeitgebern in der Schlussformulierung ebenfalls mit auf den Weg geben kann.

Schlussformeln und ihre Bedeutung:

SchlussformelBedeutung
Er/Sie verlässt uns auf eigenen Wunsch. Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden sehr und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute.Das Unternehmen verliert den/die Arbeitnehmer/in sehr ungern.
Er/Sie verlässt uns auf eigenen Wunsch. Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute.Das Unternehmen verliert den/die Arbeitnehmer/in ungern.
Er/Sie verlässt uns auf eigenen Wunsch.Der/Die Mitarbeiter/in hinterlässt keine Lücke.
Er/Sie verlässt uns im gegenseitigen Einvernehmen.Ihm/Ihr wurde gekündigt.
Wir bedanken uns für seine/ihre Mitarbeit.Endlich ist er/sie weg.
Wir wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute, auch Erfolg.Die Leistung wird hier zum Schluss noch negativ beurteilt; Erfolg hatte der Arbeitnehmer im vorherigen Unternehmen also nicht.

Fazit

Um ein Arbeitszeugnis richtig einschätzen zu können, sollte es immer im Gesamten betrachtet werden. Die Analyse einzelner Formulierungen hilft jedoch dabei, eine grobe Note zu ermitteln, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für seine Leistungen erteilt hat. Hierbei ist es wichtig auf Details, also auf einzelne Formulierungen zu achten. Gerade die Beispiele „zur vollsten Zufriedenheit“ (Note: Sehr gut) bzw. „zur vollen Zufriedenheit“ (Note: Gut) zeigen auf, wie sich das Zeugnis durch die Änderung eines einzigen Wortes verändert.

Letzten Endes kommt es also immer darauf an, WAS und WIE etwas formuliert oder OB ÜBERHAUPT etwas gesagt wird. Denn manchmal sagt das Weglassen einer bestimmten Formulierung oder Information (z.B. das Weglassen der Abschlussformel) mehr als tausend Worte…

Schreibe einen Kommentar